Mittwoch, 12. November 2008

Raus aus dem Funk-Loch.

Tauchen wir mal wieder in die Niederungen des Texteralltages ein. Ja, beschäftigen wir uns heute mit dem Textermedium schlechthin.

Radiospots.

Es gibt kein anderes Werbemittel, mit dem Art Direktoren so wenig zu tun haben (wollen).

Deshalb sieht man Texter oft einsam einen Funkspot nach dem anderen texten (was schon der erste Fehler sein kann).

Es ist schwerer, einen gutes Funk-Skript in einen guten Funk-Spot zu verwandeln als ein gutes TV-Skript in einen guten TV-Spot. Ich habe es bei Funk sehr viel häufiger als bei TV erlebt, dass ein heißes Skript nach der Produktion nur noch lauwarm war.

Bei Funk fehlt etwas, das uns Kreativen sonst nie fehlt, und das ist die visuelle Ebene.

Ich denke, genau das macht aber auch den Reiz aus.

Die sicher meist benutzte Form bei einem Radiospot ist – klar – der Dialog.

Sicher gibt es auch noch viele Monologe oder aber man hat mehrere Sprecher und veranstaltet ein kleines Hörspiel. Wobei auch ein Dialog natürlich eine Art Hörspiel sein kann.

Aber der Dialog ist quasi der Funk-Klassiker.

Beim Monolog und Dialog, aber auch bei einem Spot mit drei und mehr Sprechern, kommt es – was für eine Erkenntnis – mehr denn je auf den Text an.

Ungewöhnlich, merkwürdig, witzig, skurril – und damit unterhaltsam und überraschend. Adjektive, die nicht neu für die Leser sind, denn das sind fast die gleichen Begriffe, die ich bei TV benutzt habe.

Und natürlich schafft man das mal wieder am besten, wenn man eine Idee entwickelt.

Eine Dialog-Idee.

Weil die Bildebene fehlt, ist für die Wirkung eines Funkspots die Wahl der Sprecher kriegsentscheidend. Die Wahl der Sprecher kann sogar Teil der Idee sein.

Geräusche und Musik sind weitere Gestaltungsinstrumente. Doch die wollen wir erst einmal vernachlässigen.

Konzentrieren wir uns hier und heute auf den reinen Dialog.

Der normale Weg der Kreation eines Funkspots ist, dass man durch ein Briefing gewisse Vorgaben bekommt, was gesagt werden soll. Dann überlegt man sich einen Dialog dazu.

Leider hat Funk ein schlechtes Image als Werbemittel, weil die meisten Werbeblöcke häufig ein einziger schnell gesprochener wie schreiender Teppich sind.

Wie holt man als Kreativer das Medium Funk aus diesem Imageloch? Indem man einfach nur ein paar Fehler weniger macht als die meisten anderen Texter.

Der erste Fehler ist, dass sehr marketinglastige Dialog geschreiben werden. Das Briefing für – sagen wir mal eine Damenbinde – wird quasi 1:1 als Hausfrauengespräch aufgeschrieben.

Die Kunst ist, ein Gespräch zu inszenieren, mit dem man sich der Botschaft auf möglichst ungewöhnliche Dialogweise nähert, so dass der Zuhörer erst am Ende durch den Off-Sprecher die Auflösung erfährt.

Ein weiterer Fehler ist, zu viel Text in zu wenig Zeit zu pressen, so dass kein Raum mehr für ein Spiel der Sprecher bleibt.

Auch bei Funk können Pausen sehr wichtig sein, um eine gewisse Wirkung zu erzeugen. Pausen kosten Zeit, die man in seinen Dialog mit einplanen sollte.

Hier kann ich nur meinen Tipp wiederholen, mit der Uhr am Arm zu texten und sich den Dialog der Sprecher laut und akzentuiert vorzusprechen.

Ein dritter Fehler ist der Endlos-Off.

Wenn man zu einem Produkt viel zu sagen hat oder wenn es viele Dinge zu erklären gibt, so macht es keinen Sinn, am Anfang einen ganz kurzen Witz zu schaffen (10 Sekunden) und dann im Off die ganze Produktlitanei runterzubeten (20 Sekunden) und die Pointe vergessen zu machen. Damit verpufft jede unterhaltende Wirkung.

In solchen Fällen tut man sich leichter, wenn man die Herausforderung gleich annimmt und die ganze Information von Anfang an in einen interessanten Dialog verpackt. Beispiel unten.

Was viele Kreative überhaupt nicht in Betracht ziehen, ist der Weg, sich erst zwei Sprecher raus zu suchen und dann einen Funkspot auf diese Sprecher zu schreiben.

Man hört das ja beim Theater oder beim Film häufig, dass ein Autor die Rolle einem gewissen Schauspieler auf den Leib geschrieben hat.

Warum soll das bei Funk nicht auch funktionieren?

Manchmal erscheint es daher besser, wenn man sich erst einmal ein paar Sprecherstimmen anhört und dann den Dialog auf zwei Auserwählte schreibt. Selbst wenn man sie später nicht zur Produktion bekommt, so lassen sich meist ähnliche Stimmen finden.

Ich tue mich leichter, einen Dialog zu schreiben, wenn ich mir vorher schon vorstelle, welcher Stimmentyp die Rollen spricht.

Sprecher/Stimmen bekommt ihr von jedem guten Tonstudio zur Verfügung gestellt. Durch die Digitalisierung sind perfekte Archive entstanden, die das Suchen sehr angenehm machen.

Mit den Jahren sammeln sich viele Stimmen auch schon auf deinem iTunes an, so dass es hilft, da einfach manchmal rein zu hören, bevor man lostextet.

Die besten Sprecher nutzen natürlich nichts, wenn der Dialog mau ist oder einfach zu viel Reklame in den Sätzen die Dialoge sperrig macht.

Noch etwas: in einem Umfeld, in dem sehr viele Spots die Rolle der Marktschreier und Schnellsprecher übernehmen, fallen die Spots auf, die genau das Gegenteil tun.

Was Funk übrigens zu einem überzeugenden Medium für viele Kunden macht, sind die Produktions- und Mediakosten. Im Vergleich zu anderen Medien halten sich die Produktionsbudgets im Rahmen. So gut wie nie kostet eine richtig gute Funkproduktion über 10.000 Euro (natürlich je nach Umfang).

Oft ist es schon deutlich weniger.

Den größten Teil der Kosten verschlingen die Buyouts (Copyrights) für die Sprecher.

Wenn man natürlich die Synchronstimmen von bekannten amerikanischen Schauspielern wählt, steigt das Budget schnell wieder in die Höhe.

Der Kostenaspekt macht Funk übrigens auch zu einem dankbaren Goldmedium.

Seltsamerweise nutzen das die wenigsten Kreativen aus. Zum einen, weil sie Funk vielleicht nicht so sehr auf der Rechnung haben.

Zum anderen, weil es eben doch nicht so leicht ist, einen verdammt guten Radiospot zu schreiben.

Das zeigt: am Funkspot beweist sich wahres Textertalent.

Tipp 51: Entwickle bei Funk keine Dialoge, sondern entwickle eine Dialog-Idee.

Die folgenden Spots wurden mir von Studio Funk zur Verfügung gestellt. Mein Dank gilt Jenny Kammnick und Torsten Hennings.




Funk-Dialog Beispiel 1: der gesprochene (Wort)witz.

Kunde: Flensburger Pilsener / Agentur: ad.quarter




Funk-Dialog Beispiel 2: das skurrile Gespräch.

Kunde: DEVK / Agentur: Grabarz & Partner




Funk-Dialog Beispiel 3: das scheinbar normale Gespräch.

Kunde: auto motor und sport / Agentur: Leagas Delaney



Funk-Dialog Beispiel 4: das produktlastige Gespräch.

Kunde: Quelle / Agentur: Springer & Jacoby

2 Kommentare:

hello hat gesagt…

Hallo Suchender,

Funk ist ein sensibles Thema für mich. Daran beiße ich mir immer noch meine zweiten Zähne aus. Entweder wird es zu brav, zu langweilig, zu vorhersehbar oder zu krank, zu umdieeckegedacht, zu vergeistigt. Was mir bei Anzeigen und all dem anderen Printkram locker gelingt - breit denken, die Klaviatur spielen -, verweigert sich mir bei Funk. Keine Ahnung, warum. Vielleicht hab ich es noch nicht drauf, _szenisch_ zu denken, kann's das geben?

Ja, Funk ist Königsdisziplin. Sollte ich doch mal Radio hören? Sollte das etwa helfen? Oder gibt es irgendwo in den Tiefen des Netzes ein tolles olles Archiv mit tollen ollen Funkies? RMS, verschiedene Awards etc. hab ich schon abgegrast.

Da fällt mir ein (und hier ziehe ich den Joker vonwegen es gibt keine dummen Fragen): Kennst du Texter, die sich auf Medien konzentriert haben? Also einer, der nur AV macht, oder einer, der nur Print macht bzw. das jeweilige Medium besonders gut und deshalb bevorzugt? Kam mir grad in den Sinn ...

Einen inneren Dialog führend
Steph

Zschaler hat gesagt…

Die Antwort auf diesen Kommentar ist mir irgendwie durchgewitscht, sorry.

Ich reiche nach:

Die leichtere Antwort, ja, ich kenne Texter, die sich auf Disziplinen spezialisiert haben. Literatur, zum Beispiel. Altdeutsch: Prospekte.

Nein, ich kennen keinen Texter, der sich nur auf Funk spezialisiert hat.

Natürlich gibt es Leute, die ihre Stärken in gewissen Medien haben.

Bei Funk hilft vielleicht, Hörbücher zu – genau – hören und auf die Betonungen und die Variationen der Sprache zu achten.

Wir hatten diese Woche eine große Funkproduktion im Studio und es kam wie so oft am Ende ganz anders als gedacht.

Die Manuskripte, die meine Favoriten waren, erschienen mir nach der Produktion nicht so stark. Und die Spots, von denen ich nicht so viel erwartet habe, waren die besten.

Woran liegt es? Zum großen Teil an den Sprechern und an der Inszenierung.

Kreiere kleine Geschichten, überraschende Dialoge, merkwürdige Szenen.

Und hör dir einfach mal einen Haufen Sprecher-Stimmen mit geschlossenen Augen an.

Da kann man sich oft besser vorstellen, was für komische, merkwürdige oder Rollen die sprechen können.