Mittwoch, 29. Oktober 2008

Die Kehrseite der Fake-Ad-Medaillen.

Es geschah im Oktober 2003. Das Telefon klingelt. Der Chef einer Kammerjäger-Firma in Hamburg nimmt den Hörer ab. Am anderen Ende der Leitung ist eine junge Dame von einer mir gut bekannten Werbeagentur.

Die Dame bietet dem Unternehmer an, eine Werbe-Kampagne für seine Firma zu veröffentlichen.

Kostenlos.

Die Kampagne ist auch schon fertig.

Der Kammerjäger-Chef glaubt, seinen Ohren nicht zu trauen. Verwundert schaut er seinen Mitarbeiter an. Übrigens seinen einzigen Mitarbeiter.

Jo is denn scho wieder Weihnacht’n?

Stimmt, der ADC-Einsendeschluß naht.

Freudig nimmt er das Angebot entgegen, jedoch nicht, ohne die junge Dame darauf hinzuweisen, dass er schon zwei andere Kampagnen von zwei anderen bekannten Werbeagenturen auf dem Tisch liegen hat.

Ja sicher, erwidert der Kammerjäger auf ein energisches Nachfragen der jungen Dame, auch die anderen Kampagnen sind selbstverständlich alles Doppelseiten.

Und jaaaaaa, auch alle 5 Motive stark – macht sich einfach an der ADC-Austellungswand besser als drei.

Der Kammerjäger teilt der jungen Frau ferner mit, dass er sich jetzt die beste Kampagne raussuchen wird.

Er muss ja schließlich auf seine Marke achten und kann deshalb nur eine Kampagne frei geben.

Kms. Kunde meldet sich.

Diese Geschichte ist nicht frei erfunden.

Tischler verschenken nicht ihre Tische. Autohäuser verschenken nicht ihre Autos. Bäcker verschenken nicht ihre Brötchen.

Nur Werbeagenturen verschenken das Beste, was sie haben, nämlich ihre Ideen.

In Zeiten, in denen es verdammt schwer geworden ist, mit Werbung Geld zu verdienen.

Wirklich eine schöne Scheiße, die wir Agenturbosse uns da allesamt eingebrockt haben.

Doch kaum rückgängig zu machen. Die Fake-Ad-Maschine in Deutschland dürfte inzwischen das größte Marketingbudget aller Werbeagenturen weltweit verschlingen.

Die Gründe, warum Werbeagenturen in Deutschland diese Maschine so extensiv schmieren, habe ich gestern schon geschildert:

1. Eitelkeit. Man will seine kreative Reputation bei Kunden stärken, was die Presse durch entsprechende Rankings brav erledigt, ohne sich wirklich des Fake-Themas anzunehmen.

2. Recruitement. Viele Mitarbeiter finden natürlich, dass Medaillen-Agenturen besser zu ihrer Karriere passen.

Doch auch für Mitarbeiter hat die Goldideen-Suche eine sehr trügerische Facette.

Junge Leute machen sich ohne Briefing auf die Suche nach Problemen, die es nicht gibt, um daraus ein Stück herausragende Werbung zu machen. Sehr häufig endet das in aufmerksamkeitsstarken und lustigen, aber auch sehr oberflächlichen und generischen Gedanken.

Was aber noch fataler ist: Der Nachwuchs lernt das Handwerk falsch.

Idee sucht Kunde ist nicht der Alltag in Werbeagenturen.

Der heißt es immer noch: Kunde sucht Idee.

Und so ist in vielen Agenturen inzwischen eine Zwei-Klassen-Gesellschaft entstanden. Da gibt es Mitarbeiter für die Goldpolitur. Und der große Rest muss das Eisen beißen.

Der, der sich also bei vermeintlich kreativen Agenturen bewirbt, sollte vorher gut prüfen, in welcher Materialabteilung er landet.

Wer nicht gelernt hat, auf echten Briefings zu arbeiten, kann plötzlich im Agenturalltag nicht in zwei bis drei Tagen auf konkreten und schwierigen Briefings ungewöhnliches Zeug herstellen.

Oft erlebt. Funktioniert einfach nicht.

Die Fake-Ad-Bewegung gibt es selbstverständlich auch in vielen anderen Ländern.

Durch die technischen Möglichkeiten ist es immer einfacher geworden, Fakes herzustellen.

Inzwischen versuchen einige Wettbewerbe, sich (erfolglos) gegen die Fake-Bewegung zu stemmen. Sie verlangen immer umfangreichere Erscheinungs-Nachweise, was die Agenturen immer mehr Zeit und Geld kostet.

Allen voran der ADC. Typisch deutsch. Doch so sinnlos.

Ich denke, dieser Kampf ist verloren und spielt eher den großen Agenturen, die das Geld haben, in die Karten als den kleinen, die für die guten Ideen kämpfen.

Nicht umsonst tauchen die großen Networks mehr und mehr in den Medaillen-Rankings auf.

Für mich persönlich ist der kreative Olymp immer noch der, eine Gold-Kampagne zu erschaffen, die die Öffentlichkeit auch gesehen hat.

Werbung, die ein Teil der Bevölkerung kennt.

Ideen, die etwas bewirkt haben.

Es wäre schön, wenn unsere Industrie irgendwann dahin zurückkehrt.

Tipp 42: Entwickle Goldideen, aber am besten auf echten Briefings.




Da sind uns die Engländer und Amerikaner einfach meilenweit voraus: Sie kreieren noch Goldideen, die die Welt gesehen hat. Und über die die Welt redet.

Deshalb stellen Kunden auch noch Produktionsbudgets zur Verfügung, die so eine Spot zulassen.

Wir Deutschen sollten Gold-Ideen wieder wertvoll machen anstatt sie zu verschenken.

Spot: Honda Accord "Car Parts". Agentur: Wieden + Kennedy, London.

6 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Dann bin ich mal gespannt, ob die MagLite-Anzeige, die ich heute gesehen habe, nach dem ADC noch mal irgendwo auftaucht ...

Anonym hat gesagt…

Mir sind die echten Kampagnen auch lieber, aber als Beispiel dann ausgerechnet einen Spot anzuführen, der doch wohl sehr stark von "The way things go" von Peter Fischli und David Weiss "inspiriert" wurde? Na ja, ich weiß ja nicht.

Zschaler hat gesagt…

Endlich kommt mal Leben in die Bude, leider immer anonym.

Aber egal.

An Anonym 1:

MagLite ist schon erschienen.

Ich habe auch mit keiner Silbe behauptet, dass wir uns nicht um Gold bemühen.

Mal sehen, ob das so klappt, wie wir es uns vorstellen.

An Anonym 2:

Ich war erst vor ein paar Wochen in Louisiana bei Kopenhagen, im dortigen Museum of Modern Art (kann ich übrigens nur jedem empfehlen) und da habe ich das Werk der beiden Video Art Künstler Fischli + Weiss zum ersten Mal gesehen.

Da war mir auch klar, wo die Idee zum Honda-Spot herkommt.

Ich finde allerdings nicht verwerflich, dass sich Kreative von der Kunst, vom Kino, vom Theater, vom Fernsehen, von Büchern oder von sonstwas inspirieren lassen.

Eine Idee, die sich nicht irgendwo eine Anleihe geholt hat, gibt es sowieso nicht.

Ich denke auch, das die Agentur die Inspirationsquelle nicht verschwiegen hat.

Was für mich zählt, war die Tatsache, das der Spot nicht nur Weltklasse ist, sondern dass ihn auch Teile der Weltbevölkerung als Werbung gesehen haben.

Und nicht nur 10 Hanseln nachts um halb 1 auf dem Sender HH1.

Anonym hat gesagt…

Anonym 2 noch mal kurz, wobei das mit der Anonymität gar keine böse Absicht war, sondern einfach daran lag, dass ich nur eben mal kurz und schmerzlos kommentieren wollte und selbst kein Blog habe. Und ich wollte mich dann doch nicht wie Anna Polaucke "Cinderella" nennen.

Aber zu deinen Argumenten, damit die Bude belebt bleibt:

Kopenhagen ist fein.
Und Museumsbesuche sind auch eine feine Sache, denn ich habe den "echten" Film live zum ersten Mal in der sehr sehenswerten F&W-Ausstellung in den Hamburger Deichtorhallen bewundert.

Aber, ohne mit meinem kulturellen Wissen prahlen zu wollen, man konnte ihn auch schon vorher kennen, wenn ich mal wikipedia zitieren darf:

"Ihre bekannteste Arbeit ist der Film „Der Lauf der Dinge“, der 1987, während der documenta 8, zu einem Publikumserfolg wurde und sie international bekannt machte."

Und grundsätzlich habe ich auch kein Problem mit der Inspiration durch Kunst und Kultur, nur landet man da halt ganz schnell bei der leidigen Bisley-Diskussion: darf man sich optisch sehr dicht an ein Werk anlehnen, dass im Kunstbereich schon bewiesen hat, dass es Menschen begeistern und interessieren kann? Darüber können wir jetzt wahrscheinlich bis zum Sankt Nimmerleinstag diskutieren.

Nur eines würde ich dann doch mal stark bezweifeln:
Glaubst du wirklich, dass irgendjemand von Seiten der Agentur die Herren Fischli und Weiss vorher angesprochen hat? Oder irgendwo auf den Einsendeformularen ein Hinweis vermerkt war, dass man hier ein Kunstprojekt doch sehr, sehr eng am Original für ein kommerzielles Projekt nachgedreht hat?

Und da muss ich auch sagen: Moralisch kann man diese Form der Inspiration verurteilen oder verteidigen, aber es sind ja mal Dinge wie das Urheberrecht nicht ganz ohne Grund erfunden worden.

Deshalb kann ich es schon verstehen, wenn man als Künstler am Ende plötzlich bei einer Agentur auf der Matte steht und sagt "Hallo, Freunde, so geht es ja nun doch nicht." (Damit wir uns nicht falsch verstehen: ich behaupte nicht, dass dies bei der Honda-Kampagne so gewesen ist, aber ich habe selbst in Agenturen gearbeitet, wo es solche Fälle gegeben hat.)

Zschaler hat gesagt…

Ach ja, da ist sie wieder, die ewig lodernde Plagiats-Diskussion. Vor lauter Fake-Scam-Gold-Fokussierung hat man sie schon fast vergessen.

Ob die Herren Wieden + Kennedy die Herren Fischli + Weiss kontaktiert haben, weiss ich nicht.

Aber bei so einer medialen Verbreitung und der nachfolgenden PR für den Spot kann ich es mir nicht vorstellen, dass sie es nicht getan haben.

Im Gegensatz zu der unsäglichen Bisley-Aktion vor zwei oder drei Jahren.

Aber, lieber Anonymus, ich möchte dir danken, denn ich werde deinen Kommentar als Anstoß nutzen, um einen Beitrag über Plagiate zu verfassen. Dazu fallen mir nämlich auch noch ein paar Gedanken ein.

Schon bald in diesem Kino.

Anonym hat gesagt…

Anonym 2 sagt:

da nich für.

Hab mir schon eine Kinokarte geholt und bin gespannt.