Donnerstag, 2. Oktober 2008

Die 5 meist missbrauchten Begriffe.

Erstens: Integriert.

Der Anspruch: Es gibt viele verschiedene Werbedisziplinen, z.B. Verkaufsförderung, Direktmail, Internet, PR und natürlich die klassische Werbung. Eine integrierte Kampagne überzeugt durch eine Idee, die sich in all diesen Disziplinen wirkungsvoll umsetzen lässt. So wird eine geschlossene Wahrnehmung der Marke oder des Produktes erzeugt.

Die Wirklichkeit: Jede Disziplin hat in Unternehmen einen anderen Abteilungsleiter. Der hat seine eigene Spezialagentur. Die Spezialagenturen gönnen sich nicht das Schwarze unter den Fingernägeln. Und aus der integrierten wird die improvisierte Kampagne.

Die Lösung: Alle Agenturen setzen sich an den Tisch. Aber einer hat über alle Disziplinen das Sagen (ein Agenturvertreter oder ein Unternehmensvertreter). Der eine achtet darauf, dass es in allen Disziplinen entsprechend umgesetzt wird. Und lässt die Qualität der Idee entscheiden, nicht die der Sympathie.


Zweitens: Crossmedial.

Der Anspruch: Es gibt viele verschiedene Werbemedien, z.B. TV, Radio, Plakat, Anzeigen, Websites, Banner, Pop-Up, Directmail, POS Promotion, Display, Deckenhänger, usw. Eine crossmediale Kampagne überzeugt durch das geniale Zusammenspiel von einigen ausgewählten Medien (müssen nicht alle sein). So werden die Konsumenten von einem Medium ins andere gegleitet. Oder sie treffen die Botschaft ihrem Medium entsprechend umgesetzt an.

Die Wirklichkeit: Kreativagentur und Mediaagentur agieren meistens völlig unabhängig voneinander. Auch das mit den Fingernägeln (s.o.) trifft häufig zu. Die Kreativagentur entwickelt beispielsweise ein Konzept für TV und Internet, aber die Mediaagentur sagt später, "das rechnet sich nicht" und empfiehlt Print und Funk.

Die Lösung: Kreativagentur und Mediaagentur setzen sich vor Entwicklung der Kreation zusammen. Oder: Kreativagenturen engagieren eigene Mediaplaner, die Lust an kreativen Medialösungen haben. Und nicht so sehr an kreativem Geldverdienen.


Drittens: Viral.

Der Anspruch: Man stellt eine Botschaft an geeigneter Stelle (gern genommen: YouTube) ins Internet und die User finden den Inhalt und/oder die Machart so ungewöhnlich, dass sie helfen, diese Botschaft zu verbreiten (sie pflanzt sich fort wie ein Virus). Was den Kunden nichts kostet.

Die Wirklichkeit: Viele Kunden haben vom Erfolg viraler Kampagnen gehört, wollen auch eine haben, denken, dass man für ganz wenig Geld ganz viel „Virusinfektion“ erzeugen kann und erschrecken dann bei der Präsentation. Denn: der Virus, der da präsentiert wurde, ist ihnen zu heftig ("das passt nicht zur Marke, das sind wir nicht"). Der Virus wird dann mit ein paar einschläfernden Spritzen entschärft. So auch seine Werbewirkung.

Die Lösung: Man denkt radikal. Oder lässt die Finger von viral.


Viertens: Guerilla (auch Ambient).

Der Anspruch: Man taucht mit seiner Botschaft auf ungewöhnliche Art und an ungewöhnlichen Plätzen auf (ausserhalb der gängigen Medien). Dadurch sorgt man für Gesprächsstoff, wenn man das gut gemacht hat.

Die Wirklichkeit: Guerilla ist eine nice-to-have-Veranstaltung bei Präsentationen. Viele Kunden meinen darin einen günstigen Weg zu sehen, um PR zu generieren. Und man kann ungewöhnlichere Ideen als in der Klassik realisieren (weil es den Vortsand nicht so sehr interessiert, ist ja quasi eine Promotion). Ausserdem lockert Guerilla eine Präsentation immer auf. Es wird aber verkannt, dass eine Aktion auf der Reeperbahn mehr Arbeit und Logistik im eigenen Laden erfordert als 100 Anzeigen bundesweit in Zeitungen und Zeitschriften zu schalten. Bei weit geringerer Reichweite (rein mediatechnisch gesehen).

Die Lösung: Guerilla-Aktionen müssen ein Budget haben und gezielt dort geplant werden, wo die Zielgruppe sitzt. Und man benötigt ein Team im Unternehmen, das sich engagiert darum kümmert.


Fünftens: WOM (Word of Mouth).

Siehe Viral. Siehe Guerilla.


Tipp 24: Ideen sorgen nur für Gesprächsstoff, wenn sie in irgendeiner Form radikal sind.





Integriert, crossmedial, viral, ambient – und es hat WOM erzeugt:

die HBO Kampagne "Voyeur" von BBDO New York.

Da haben sich Kreative nicht gedacht, welche Werbeform kommt in Mode oder gefällt dem Kunden? Sondern sie haben gedacht, was können wir, das die Faszination von Filmen – und damit von HBO – transportiert. Und noch nie da war. Storytelling auf ganz radikale Art inszeniert.

Ergebnis: Siehe Video. Und u.a. den Grand Prix in Cannes 2008.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

"Eine integrierte Kampagne überzeugt durch eine Idee, die sich in all diesen Disziplinen wirkungsvoll umsetzen lässt. So wird eine geschlossene Wahrnehmung der Marke oder des Produktes erzeugt."

>> Da bin ich entschiedend anderer Meinung. Integrierte Kommunikation bedeutet viel mehr, genau die Kanäle zu bespielen, die den Adressaten am besten erreichen. Das kann TV, FUNK, PLAKAT sein, kann aber auch rein über Productplacement und Internet sein. Bsp. Absolut Vodka in "Sex in the City". Gruß Fabian

Zschaler hat gesagt…

Ich weiss nicht, ob ich etwas anderes ausgedrückt habe, als du hier beschrieben hast.

Ich glaube, man braucht einen Kampagnengedanken, der so geschaffen ist, dass man ihn in allen Disziplinen dem Medium entsprechend umsetzen und inszenieren kann.

Solltest du allerdings an fraktale Markenauftritte glauben (hier hü positioniert und dort hott), dann allerdings sind wir unterschiedlicher Meinung.

Macht ja nix. Ist ein freies Marlboro Country hier.