Freitag, 10. Oktober 2008

Den richtigen Regisseur finden.

Zwischen verabschiedeten Treatment und fertigen Film kann eine Menge passieren.

Sehr oft passiert, dass der Film ins Mittelmaß abrutscht, weil verschiedene Kräfte so lange an dem Skript ziehen, bis von der ursprünglichen Idee nicht mehr viel übrig bleibt.

Siehe Werbeblock.

Große Zugkraft hat der Kunde (beim Casting besteht er auf seinen Favoriten, Spot muss plötzlich 5 Sekunden kürzer werden, am Ende muss noch ein zusätzliches Textchart rein, die Musik gefällt ihm nicht, das Branding soll von Anfang an zu sehen sein, etc.).

Große Zugkraft hat aber auch der Regisseur (er besteht beim Casting auf seinen Favoriten, er hat die Idee nicht verstanden, er verkünstelt sich auf Nebenkriegsschauplätzen, er arbeitet die Pointe nicht heraus, er will „seinen“ Film machen und keine Werbung, etc.)

Mittlere bis kleine Zugkräfte haben noch dein Creative Director, der Filmproducer (der Agenturproducer wie der von der Filmproduktion), der Cutter und die Operator der Postproduktion sowie das Soundstudio.

Fest steht erst einmal, es ist deine Idee. Und nicht die des Regisseures.

Du hast dir einen Film ausgedacht, den alle gut finden. Und deshalb musst du Sorge tragen, dass er von den bösen Zugkräften nicht runtergezogen wird.

Aber: Creative Director, Regisseur, Produzent, Cutter, Post-Operator und Tonmeister können deinen Film auch in die richtige Richtung ziehen und zu einem Spitzenfilm machen.

Du brauchst nur die geeigneten Leute. Deshalb ist die Auswahl des Regisseurs und des Produzenten entscheidend.

In den heutigen Zeiten zwischen Internetblase und Finanzkrise steht allerdings ganz am Anfang der Produktion nur ein einziger Filter.

Er heißt: Produktionsbudget.

Wenn das Budget klein ist (zwischen 10.000 und 200.000 €) hat man – je nach Opulenz des Skriptes – wenig Freiräume bei der Wahl des Regisseurs. Meistens spricht man mit bekannten oder befreundeten Filmproduktionen. Die bieten dann Regisseure an, die Lust auf das Skript haben, die ihre Showreal füllen müssen, die sich in der Werbung etablieren wollen und deshalb „heiß“ darauf sind, deinen Film zu drehen.

Das sind sehr häufig junge Regisseure (ganz bestimmt nicht die schlechtesten Leute), aber teilweise eben noch unerfahren mit Werbung. Und mit kurzen Formaten. Wie gesagt, 30 Sekunden können verdammt kurz sein. Das wird gerne unterschätzt. Auch von Filmleuten.

Wenn das Budget mittelgroß oder groß ist (von 200.00 bis 500.000 € oder – juhu – mehr), dann kann man es sich erlauben, Regisseure gezielt auszuwählen.

Hier gibt es zwei Philosophien.

Die Philosophie „Sicherheit“. Das heißt, du planst einen Film mit einem Hund und deshalb möchtest du einen Regisseur, der schon Filme mit Hunden gemacht hat (so denken Kunden gerne).

Die Philosophie „Anti-Routine“. Das heißt, du planst einen Film mit einem Hund und deshalb möchtest du einen Regisseur, der noch nie mit einem Hund gedreht hat. Weil ihn das herausfordert und er sich mehr einsetzt als bei einem Film, den er so ähnlich schon mal gedreht hat.

Für Philosophie eins spricht nicht viel, außer, man möchte dem Kunden ein gutes Gefühl geben und der Regisseur zeigt wirklich in seiner Regie-Interpretation, dass er einen super Film daraus macht.

Philosophie zwei ist auch nicht die Patentlösung, denn wer immer Actionfilme gedreht hat ist vielleicht nicht gerade First Choice für einen Film mit Food-Stills.

Für mich gibt es nur drei Auswahlkriterien: gefällt mir die Rolle, gefällt mir der Regisseur als Mensch und hat mich seine Regieinterpretation überzeugt.

Regie-Interpretation?

Wenn du dir drei oder vier Regisseure für dein Skript ausgeguckt hast, solltest du sie treffen. Mindestens aber länger mit ihnen telefonieren. Und dann eine Regie-Interpretation verlangen.

Das muss keine endlos fette Abhandlung, sondern es soll ein kurzes Regisseur-Statement auf einer, max. zwei DIN A4 Seiten sein. Da erkennt man schon mal, ob er die Idee verstanden hat.

Leider mutieren die Regie-Interpretationen heute zu kleinen Pre-Pre-PPMs (Pre-Production-Meeting = verbindliche Film-Vorbesprechung mit allen Verantwortlichen). Das ist auch nicht Sinn der Sache.

Mir ist es eigentlich lieber, ich treffe den Regisseur und den Producer persönlich, denn mit diesen zwei Typen muss ich mich vor, während und nach dem Dreh auseinander setzen.

Wenn ich feststelle, dass ich den/die Typen nicht leiden kann, frage ich mich, ob ich ernsthaft mit ihnen den Film drehen möchte.

Verstehe ich mich nämlich gut mit dem Team, kann ich im Gespräch mehr für den Film herausholen als wenn ich eine tolle Regie-Interpretation auf dem Tisch habe, aber der Regisseur ist ein arroganter Sack.

Drehe nicht mit arroganten Säcken. Schließlich ist es dein Film.

Man sollte bei einem ordentlichen Budget 5 bis 8 Regisseure anfragen (haben die Lust auf das Skript, können die überhaupt zum geplanten Zeitpunkt). Und später mit 3 bis 4 telefonieren.

Es ist immer gut, einen Regisseur dabei zu haben, bei dem man sich auf der ganz sicheren Seite fühlt. Und einen, der mich herausfordert.

Tipp 30: Wähle den Regisseur nicht nur nach fachlichen Aspekten aus, sondern auch nach menschlichen.












Regie-Interpretation für den TVC Skoda "Notfall".
Regisseur: Sven Bollinger. Produktion: Tony Petersen Film, Hamburg.

Im Beitrag von gestern könnt ihr noch mal das Agentur-Treatment und den Spot selbst begutachten.


Die Interpretation ist etwas üppiger als 2 DIN A4 Seiten ausgefallen. Was daran liegt, dass sich der Regisseur für die merkwürdige Armbewegung etwas Spezielles hat einfallen lassen. Was auch den Ausschlag gab, mit ihm zu drehen.

2 Kommentare:

van Raett hat gesagt…

Nicht nur, dass es bis zum ausgearbeiteten und abgenickten Treatment ein langer Weg ist; bis zum fertigen Spot scheint eine gelesene Ewigkeit zu vergehen. Welcher Zeitraum liegt denn in der Regel zwischen den Ruf nach einem neuen Spot bis zur fertigen Kredenz?

Zschaler hat gesagt…

Zwischen Freigabe des Treatments und dem Dreh können – je nach Aufwand, der für den Film notwendig ist – 4 bis 8 Wochen vergehen. Die meiste Zeit verstreicht damit, eine Freigabe des Kostenvoranschlages für den Film zu bekommen. Je größer das Unternehmen, desto länger dauert die Kostenfreigabe.