Dienstag, 7. Oktober 2008

Das bewegte Bild. Und sein Preis.

Eine Anzeige hat (meistens) 1 Bild und wenn es eine gute Anzeige ist, lässt sie einen Film im Kopf des Betrachters ablaufen.

Ein Kinofilm hat 24 Bilder pro Sekunde. Ein Fernsehfilm gar 25 Bilder (es ist zwar etwas komplizierter, aber wir vereinfachen das hier mal).

Und wenn der Film gut gemacht ist, kann er natürlich weit mehr Emotionen erzeugen als eine Anzeige. Dafür ist er aber auch schneller vorbei.

Film ist wohl das faszinierendste aller zur Verfügung stehenden Medien.

Gerade für Kreative.

Die Blütezeit einer der kreativsten deutschen Agenturen, Springer & Jacoby, kam mit der Einführung des Privatfernsehens (RTL + Konsorten). Das war in den 80er Jahren.

Zwar gab es zu dieser Zeit schon das öffentlich-rechtliche Fernsehen, aber eben nur die zwei Fernsehkanäle (ARD und ZDF) plus die Dritten. Und es gab einen begrenzten Raum für Werbespots (zwischen 18 und 20 Uhr).

Mit dem Erscheinen der privaten Fernsehsender hat sich das radikal geändert. Es entstand ein neuer Raum für TV-Spots und ein neuer kreativer Umgang mit dem Medium Film in Deutschland. S+J war darin Meister.

Wie sich die Zeiten ändern. Und doch irgendwie gleich sind.

In den letzten Jahren gab es nämlich wieder einen großen medialen Schnitt. Das Medium Film erlebt eine große Umorientierung.

Durch YouTube + Konsorten.

Der Unterschied: Während Film früher ein Privileg weniger war (weniger Unternehmen wie weniger Kreativer) und die Produktion häufig große Summen verschlang, ist ein Film heute für fast alle Marktteilnehmer machbar.

Man kann schon mit kleinen Summen durchaus starke Spots produzieren.

Was ist eine kleine Summe?

Eine kleines Produktionsbudget liegt bei 10.000 bis 200.000 €.

Und um das gleich zu ergänzen:

Ein mittleres Produktionsbudget liegt bei 200.000 bis 500.000 €.

Ein großes Produktionsbudget startet ab 500.000 €.

Was den ungeheuren Reiz für Kreative ausmacht: ein Spot für 10.000 € kann mitunter eine bessere Werbewirkung entfachen als ein Spot für 500.000 €.

Wenn man wieder mal das hat, worum es sich in unserem Job eigentlich täglich dreht: eine gute Idee.

Auch bei Kreativ-Wettbewerben erhöht Geld nicht automatisch die Wahrscheinlichkeit, einen Löwen oder ein anderes begehrtes Pokal-Getier zu erhalten.

Für einen Kreativen spielt Geld also erst mal keine Rolle?

Weit gefehlt.

Gerade beim Film ist es eminent wichtig, eine ungefähre Vorstellung zu haben, was der Kunde für die Produktion auszugeben bereit ist.

Mit dieser Information schließen sich einige Ideen automatisch aus.

Ich habe es irgendwo in diesem Blog schon mal erwähnt, dass eine Kamerafahrt durch den Grand Canyon mit einer vibrationsfrei aufgehängten Arri am Helikopter bei einem Budget unter 200.000 € eine echte Herausforderung ist.

Um die Diskrepanz zwischen Low Budget und Big Budget darzustellen, habe ich zwei Filme beigefügt.

Beide haben in Cannes Löwen gewonnen.

Tipp 27: Wenn du einen Film ausdenkst, kann dir das Budget nicht ganz egal sein. (Es sei denn, es ist eine freie Arbeit für die Mappe).



Big Budget.

Der Sony Bravia Spot „Balls“ von der Agentur Fallon, London.

Schon allein die Musik dürfte das dreifache Budget dessen verschlungen haben, was der untere Film komplett an Produktion gekostet hat.


Trotzdem: ein opulenter Spot, der einen berührt.




Low Budget.

Der Spot "Truth" für einen argentinischen Präsidentschaftskandidaten aus dem Jahr 2006. Agentur: Savaglio TBWA Buenos Aires.

Genial einfach. Und doch so überzeugend.


3 Kommentare:

van Raett hat gesagt…
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
van Raett hat gesagt…

Ganz eindeutig: ein Mehr an Emotion und Verblüffung empfinde ich beim Spot über Argentinien. Und hier entdecke ich ein wesentlichen Unterschied der beiden eindrucksvollen Spots. Während der Erste mit der Opulenz der Farben, starken Bildern und den Bruch von der eigenen Empfindsamkeit hin zum Punkt der Farbe spielt, stellt mich der Argentinien-Film für ein paar Sekunden vor ein Rätsel. Doch ich bleibe dran und freue mich über dessen Wirkung. Sony erfreut die grauen Gedanken auch, aber ich sitze mit weniger tiefen Gedankengängen über der Botschaft. (Wobei ich hier den Unterschied eines Fernsehers mit einem Präsidentschaftskandidaten ignoriere) Dafür wurde ich mit nie gesehenen Bildern 2:30 Minuten verzaubert. Für Ursache und Wirkung stelle ich mich in diesem Fall dennoch hinter das niedrigere Budget. Und hier schließt sich meine Frage an: angenommen, ein verwechselbares Produkt, wie beispielsweise die Damenbinde, geht mit einem hohen Budget und einem Werbespot in nie erdachtem Hochglanz in die Offensive. Wobei Offensive heißt, das wichtige Thema der unbedingten Sicherheit und Geruchslosigkeit einer Damenbinde zu thematisieren.
Auf der anderen Seite steht ein Blair-Witch-Projekt-Film, der die Damenbinde als steingehauenes Symbol für Feminismus lobt. Wo ist in diesem Fall das eindeutigere Argument, doch lieber Film 1 oder 2 zu drehen? Geht es um Produktvorteil oder Emotion? Kurz: wie erkenne ich eine gute Idee beim Film?

Zschaler hat gesagt…

Vor den Gedanken über einen Film kommen die Gedanken über die Botschaft, die du formulieren möchtest.

Hier spielt die Strategie, wie sich die "Damenbinde" positionieren möchte, eine wichtige Rolle.

Man sollte einen Film nie losgelöst als Einzelstück betrachten, sondern immer im Kontext dessen, wie sich eine Marke/ein Produkt/ein politischer Kandidat im Markt darstellen möchte.

Mach dir zuerst Gedanken, was du bei deiner Zielgruppe auslösen willst. Dann ergeben sich gewisse Schlußfolgerungen für die Art des Filmes fast von alleine.

Beim Sony Bravia Film wollte man mit der Umsetzung sicher eine Bildgewalt schaffen, die symbolisch für die Wiedergabequalität des beworbenen Fernsehgerätes steht.

Andersherum: Ein authentischer Schrabbelfilm kann ggf. einer Damenbinde weiter helfen als ein opulenter 500.000 € Film, wenn sie sich nicht klinisch und hygienisch einwandfrei (dieser 3-Lagen-Argumentations-Käse) darstellen will, sondern als ein ganz selbstverständliches Alltagsprodukt.

Allerdings habe ich für Damenbinden noch nie Werbung gemacht und bin deshalb nicht so vertraut mit der Psychologie der Zielgruppe.