Montag, 13. Oktober 2008

Der Dreh: nix dem Zufall überlassen. Aber auch.

Das kann einschüchtern. So ein erster Filmdreh für einen jungen Kreativen.

Solltest du an der Film-Idee beteiligt sein: Genieße jeden Handgriff, um den Film mit entstehen zu lassen.

Hier ein paar Erfahrungen von 100 Drehs. Oder mehr.

Wenn auf dem Filmset plötzlich noch ganz viele Fragen aufkommen und alles ganz anders läuft, als du es dir vorgestellt hast, dann war das PPM (Pre-Production-Meeting) schlecht vorbereitet.

Das PPM ist der Schlüssel zu einem guten Dreh.

In diesem Meeting, an dem Agentur, Kunde und Filmproduktion teilnehmen, muss all das diskutiert werden, was dir wichtig ist. Und was dem Kunden wichtig ist. Auf dem PPM wird alles verabschiedet.

Ein PPM ohne Regisseur? Nicht möglich!

Ein PPM ohne den entscheidenden Kunden? Eigentlich auch nicht!

Vor dem PPM sollte dem Casting (wenn Schauspieler in dem Film vorkommen) dein Hauptaugenmerk gelten.

Schreibe für die wichtigsten Charaktere ein Casting-Briefing. Aber schreibe nicht „junger Mann, um die 25 Jahre, blond, kräftig gebaut“. Beschreibe ihren Charakter. Schreibe ihre kleine Lebensgeschichte zu den Rollen. Mach sie für den Regisseur und den Casting-Director anfassbar.

Versuche unverbrauchte Leute auszuwählen. Keine Reklamegesichter, die man schon hundertmal gesehen hat.

Im Casting sollten die Hauptszenen gespielt werden. Lass Situationen ausprobieren. Da kann man eine Menge für den Dreh lernen. Gute Regisseure machen das sowieso. Frage vorher zur Sicherheit aber noch mal nach.

Lass dich beim Casting vom Regisseur ruhig stark beeinflussen. Regisseure haben oft ein gutes Gefühl für Darsteller, weil sie tagtäglich mit ihnen umgehen. Darsteller, die vor der Kamera nett aussehen, müssen vor der Kamera nicht auch gut spielen können.

Auf dem Dreh solltest du dich gelassen im Hintergrund halten. Gelassen heisst nicht unkonzentriert. Aber hüpfe nicht die ganze Zeit nervös um den Regisseur herum. Lass ihn in Ruhe arbeiten, er weiß (meistens), was er tut.

Du hast das Shootingboard, daran kannst du dich orientieren.

Mach dir den Producer zum Partner. Er weiß, wie man den Regisseur anpacken muss, wenn die Dinge nicht ganz in deinem Sinne laufen. Gib dem Producer Zeit, die Information beim Regisseur im richtigen Moment zu platzieren. Denke immer daran, dass die Regisseure unter Dampf stehen und viel im Kopf haben.

Wenn der Kunde mit auf den Dreh kommt, sorge dafür, dass auch er den Regisseur nicht verrückt macht. Stell eine Person ab (z.B. Kundenberater), der sich um den Kunden kümmert. Besonders, wenn es ein renintenter Kunde ist. Ein Mensch, der nicht so leicht im Umgang ist. Der gerne sofort bedient werden möchte. Wenn der Kunde noch nie einen Dreh begleitet hat, umso mehr.

Behandle den Kunden mit Respekt und Einfühlungsvermögen. Involviere ihn rechtzeitig. Zeige ihm, dass das Team den Dreh im Griff hat. Oft geht es um eine Menge Geld und das macht den Kunden unruhig. Verständlicherweise.

Erkläre dem Kunden vorher genau, was wie gemacht wird. Der Film-Producer oder Agentur-Producer hilft dir dabei.

Und dann, ganz wichtig: Lass den Zufall gewähren.

Die besten Szenen passieren so en passant. Gesten, Bewegungen, Aktionen – sie machen den Film lebendig und einzigartig. Man kann sie nicht planen. Und man sollte sie auf keinen Fall verhindern.

Wenn der Dreh erledigt ist (ich finde Drehs extrem langweilig) kommt die Wahrheit, ob das Skript wirklich zum großen Film taugt.

Es kommt der Schnitt.

Auch hier solltest du das Team Regisseur/Cutter erst einmal zwei bis drei Tage gewähren lassen. Werde nicht verrückt, wenn der erste Schnitt, den du siehst, eine Katastrophe ist.

Der erste Schnitt ist meistens eine Katastrophe.

Lass noch einen oder zwei Tage vergehen – dann geht man noch mal neu ran. Ein Film kann sich gegenüber dem ersten Schnitt dramatisch verändern. Von Schrott zu Gold.

Zu Musik habe ich am Donnerstag schon viel gesagt. Auch hier gilt, dem Gewöhnlichen zu entkommen. Nimm keine Klischeemusik, sondern genau das Gegenteil. Natürlich nur, wenn das Gegenteil nicht gegen die Idee arbeitet.

Aber es gibt ja nicht nur die Musik, sondern auch Geräusche, den Sound. Das Wort Sound klingt schon besser als das Wort Geräusche. Vernachlässige den Sound nicht. Auch er kann einen Film herausreißen.

Film ist das emotionalste Medium, aber starke Emotionen sind kein Ergebnis von Serienfertigung. Auf dem Dreh darf nix dem Zufall überlassen werden, damit möglichst viele Zufälle mitgedreht werden können. Und Emotionen entstehen.

Wenn ein Dreh krampfig wird, weil alle nervös sind, wird auch das Ergebnis krampfig.

Tipp 31: Was du im PPM nicht besprochen hast, kannst du auf dem Dreh schwer nachholen.



Der TV-Spot „Dream“ für den VW Golf von Ogilvy, Cape Town.

Dieser Spot zeigt eigentlich eine ganz uralte Dramaturgie, bei der man im Treatment eigentlich schon das Gähnen bekommen könnte: einen Traum (wie oft habe ich schon Träume gefilmt).

Aber in diesem Spot sind alle Disziplinen eines Filmdrehs (Casting, Sound, Musik, Look, Schnitt!) so perfekt und zugespitzt exekutiert, dass er ein herausragendes und ungewöhnliches Stück Werbung geworden ist.

5 Kommentare:

david santos hat gesagt…

Great work! Excellent video! Congrats. Have a nice week.

Zschaler hat gesagt…

Hi David, I just want to make clear that the work you see at this special post is not my work nor the work of my agency. It is just a great example for perfect film execution to emphasize the subject of my blog. Please send your congratualtions for the VW ad to Ogilvy Cape Town. Have a nice week too.

Anonym hat gesagt…

Einfach GOLF!

Oliver

Anonym hat gesagt…

Scheiße, wie konnte mir dieser Action-Spot bisher entgehen? Da können sich Heidi Klum und Seal ja mal sauber gehackt legen!
interessanter Blog übrigens, hab ihn heute entdeckt. Werde hier in nächster Zeit wohl öfter mal vorbeigucken.

Zschaler hat gesagt…

Willkommen im Blog, Moritz. Freut mich, wenn er gefällt.