Freitag, 5. September 2008

Werbung. Was soll das?

Ich möchte heute, am Ende meiner ersten Blog-Woche, für die Einsteiger-Gemeinde unter den Lesern doch noch mal ein paar Worte über Sinn und Zweck von Werbung verlieren.

Wer in die Werbung geht, muss mit seinem Gewissen vereinbart haben, dass Werbung die Menschen grundsätzlich und immer nervt.

Ich bin selbst immer wieder verblüfft, wie gnadenlos viele Marken ihre Sympathiepunkte aufs Spiel setzen, wenn ich ein Champions-League-Spiel auf den freien Kanälen ansehe. Da werden Spots, die man beim ersten Mal schon verstanden hat (weil es eigentlich nix zu verstehen gibt), so penetrant oft wiederholt, dass man nichts sehnlicher wünscht, als auf die Toilette gehen zu müssen.

Dumpfe Botschaften, blöde Jingles, belehrende Off-Sprecher und all die anderen ätzenden Dramaturgie-Säuren sorgen dafür, dass meine 11jährige Tochter mich ansieht und ab und zu mal wieder nachfragt, ob ich auch wirklich in der Werbung arbeite. Fast scheint sie zu hoffen, ich hätte einen anderen Beruf.

Auch im Internet kleben diese blöden Pop-up-Fenster wie Vogelscheiße an meinem Bildschirm, wenn ich die Hauptseite schon längst weggeklickt habe. Wer will das – außer einigen wahnsinnigen Marketingleuten? Und was bringt das – außer Antipathie für eine Marke?

Eigentlich soll Werbung verführen. Wer lässt sich nicht gerne verführen, wenn es gut gemacht ist.

Werbung soll die Menschen verführen, ihre Wahrnehmung einer Marke zu verändern oder zu stärken. Menschen sollen sich durch Werbung mit der einen Marke (für die man arbeitet) stärker identifizieren als mit den anderen Marken. Das bringt den Kunden am Ende des Tages mehr Geld, weil attraktive Marken mehr Zuspruch haben als weniger attraktive. Ist ja logisch.

Produktvorteile oder gewisse Marken-Eigenschaften spielen dabei eine Rolle, aber nicht die Hauptrolle. Am Ende des Tages geht es um emotionale Bindungen.

Viele Marketingleute überschätzen allerdings die Kraft von Werbung. Ist ihr Produkt oder ihr Markenversprechen nicht glaubwürdig, kannst du dir einen Wolf werben. Er wird nichts reissen.

Beispiel: Die Beraterbank. Ist ein echter Witz für mich.

Ich bin seit Jahrzehnten bei der Dresdner Bank. Und der Mensch, der sich Berater nennt, hat vor einem Jahr gewechselt, ohne dass sie es mir gesagt haben. War einfach nicht mehr erreichbar, als ich ihn angerufen habe. Und meine Mails sind auch unbeantwortet verpufft.

Wenn die Werbespots laufen, muss ich immer wieder lachen. Nicht, weil sie lustig sind, sondern weil ich hysterisch werde vor der Impertinenz der Marke.

Wenn man nun als Teilnehmer im Werbezirkus akzeptiert, dass Werbung den oben genannten Zweck verfolgt, dann gibt es zwei Philosophien, dies zu tun.

Die eine Philosophie heisst Penetration.

Das ist, wenn ich den Menschen mit der Macht meines Mediageldes „Die Beraterbank“ in den Kopf hämmere.

Die andere Philosophie heisst Inspiration.

Das ist, wenn ich Kommunikation als einen Deal ansehe. Der Deal ist, dass die Marke dem Betrachter etwas bietet (Unterhaltung, Spannung, ungewöhnliche Bilder), worüber er lachen, schmunzeln oder ernsthaft nachdenken kann. Im Gegenzug ist der Verbraucher bereit, meine Botschaft wahrzunehmen und sich damit auseinander zu setzen. Die Botschaft selbst muss natürlich relevant sein und mit der Unterhaltung, Spannung oder mit den Bildern verknüpft sein.

Und weil die Werbung so gut und intelligent gemacht ist, muss die Marke für die Durchsetzung der Botschaft auch nicht so viel Geld investieren, weil sich die Menschen die Botschaft gerne merken.

Zum Schluss möchte ich mich von meiner penetranten Bank verabschieden und ihr zeigen, wie man als Finanzinstitut auftritt.

Unsere englischen Kollegen von Leagas Delaney London haben vor ein paar Jahren eine Kampagne für die Barclays Bank entwickelt, die mit diesem verlogen Berater-Service-Anspruch gebrochen hat.

A big world needs a big bank.

Tipp 5: Werbung nervt die Menschen. Also unternehme alles, damit es deine Ideen nicht tun.




TV-Spot "Player" für Barclays Bank aus dem Jahr 2000.
(Mit Anthony Hopkins. Regie: Ridley Scott.)
Das ist nicht normal für eine Bank. Ohne das man es explizit
sagen muss.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

You strike the right chord there. Very often companies fail to understand that ad-lies are the obsolete tricks of yesterday and authenticity is the new name of the game. Communication is far beyond of conveying the message about the brand, it's an invitation to speak back.
The brand that is full of it can only hope to inspire the positive dialogue. But surprisingly throughout the industry, it sure inspires the agencies, still.

Great post and gives an interesting perspective! Will definitely come back, so, please keep them coming.

Anonym hat gesagt…

Ridley Scott, Anthony Hopkins und fast 2 Minuten sind natürlich Ausgangssituationen, von denen man im Jahr 2008 in Deutschland nur träumen kann. Aber im Grunde ist das natürlich richtig. Und heutzutage hat man gerade online die Möglichkeit wieder viel mehr Geschichten zu erzählen als in einem von unzähligen 30sekündern zwischen GZSZ und DSDS.

Und um einmal die Leagas Delaney-Wand aus Arbeiten hier zu durchbrechen ein anderes Beispiel für sehr gute Bankwerbung. Aus diesem Jahr, von JWT London, auch fast 2 Minuten lang und für HSBC:

http://www.youtube.com/watch?v=5imDyxNjo-0