Montag, 29. September 2008

Das Comeback des einzigartigen Produktvorteils.

USP - Unique Selling Proposition.

Man kann über die Piemont Kirsche denken, was an will. Aber eigentlich es ist eine richtig gute Idee. Auch die damit verbundene „Sommerpause“ ist perfekt.

Leider ist die Idee schlecht exekutiert.

Frau Bertani mit ihrem klebrigen, durchsichtigen Marketing-Süßholzgerasple hat aus der wohlklingenden Kirsche eine unerträgliche Werbe-Keule gemacht.

Die Marketingexperten von Mon Chéri (Ferrero) werden zwar entgegen halten, dass diese Kampagne ein voller Erfolg ist. Doch ich behaupte, in den richtigen kreativen Händen hätte es eine volle Granate werden können.

Die Piemeont-Kirsche und der Whopper-Freakout (siehe letzter Beitrag) sind nämlich gar nicht so weit voneinander entfernt.

Eine Agentur hat sich nicht mit dem Briefing zufrieden gegeben, einfach nur eine Kampagne zu entwickeln. Sondern sie haben sich erst über das Produkt und seine Distribution Gedanken gemacht.

Und dann eine künstliche Verknappung hergestellt (Sommerpause vs. Freakout).

Die sich daraus ergebenden Reaktionen hat man in einer Kampagne gebündelt.

Mon Cheri machte es zu Reklame. Whopper macht es zu Kult.

Nachdem die Kommunikation im Übergang vom 20. ins 21. Jahrhundert in Lifestylewelten und sonstige emotionale Szenerien abgedriftet ist, kommen wir heute endlich wieder da an, wo Werbung sein sollte.

Beim Verkauf einer Produktleistung (und das kann übrigens sooo emotional sein).

Viele Werber und Marketingleute haben vergessen, dass die beste Werbung für die Leistung eines Produktes immer noch die Leistung des Produktes selbst ist.

Was hat ein Produkt zu bieten, das interessant und relevant für den Verbraucher ist? Oder, wenn es das Produkt nicht hergibt: Was kann man verändern, das das Produkt interessant und relevant wird (z.B. eine Kirsche erfinden).

Nur in der Kommunikation anders zu sein ist ein Rohrkrepierer. Das Produkt oder die Dienstleistung selbst muss das erfüllen, was wir kommunizieren.

In meinem letzten Beitrag habe ich ja beschrieben, dass es mittlerweile nicht mehr darum geht, ein paar Werbemittel auszudenken, sondern eine Kampagne, die etwas bewegt.

Bewegt werden sollen im Idealfall: Menschen (die helfen, die Botschaft mit zu verbreiten), Medien (die die Botschaft redaktionell aufgreifen) und Märkte (die auf die Botschaft mit Nachfrage oder Neid reagieren).

Dazu muss man sich das Produkt und den Markt genau ansehen, die Gewohnheiten der Zielgruppe unter die Lupe nehmen und sich schließlich das fragen, was sich Jeff Steinhour, Managing Partner bei Crispin Porter Bogusky immer fragt, wenn die Agentur an ein neues Projekt geht:

What conventions can we break in this category?

Ein gutes Beispiel ist die Arbeit für ein kanadisches Bier namens Molson Beer.

Der Kunde bat die Agentur, sich eine Kampagne auszudenken. Die Agentur fand bei ihren Recherchen heraus, dass sich die Männer in Bars gerne mit ihrem Bier so hinstellen, dass man am Etikett sieht, welches Bier sie trinken.

Die Agentur schlug vor, keine Werbekampagne zu machen.

Stattdessen wollten sie die Etiketten neu gestalten. Der Kunde weigerte sich erst. Doch man einigte sich darauf, die Rückseite der Flasche mit dem Aktions-Etikett zu versehen. Und einen Testmarkt zu starten.

Ihr könnt euch denken: das war ein voller Erfolg. Die Verkaufszahlen für Molson Beer schnellten in die Höhe.

Wirklich eine wunderbare Idee.

Ich möchte noch ein zweites Beispiel nennen, das zeigt, wie die Kampagnen-Idee beim Produkt anfängt.

Vor einem Jahr trat das Unternehmen Fish+More, ein Unternehmen für Tiefkühlfische, an uns heran.

Sie fragten uns, ob wir ihnen beim Packungsdesign und bei der kommunikativen Vermarktung für eine neue Bio-Fisch-Range helfen können (Bio-Fisch ist ein Markt, der durch Überfischung und Raubbau der Meere hohe Zuwachsraten hat).

Wir haben nun nicht einfach angefangen, Packungen zu gestalten, sondern uns gefragt, was wir tun müssen, um dieses Produkt einzigartig und unverwechselbar zu machen. Denn auch Bio-Fische sind ja keine neuartige Produktidee.

Im Gespräch mit Kunden hörten wir heraus, dass Transparenz für den Verbraucher immer wichtiger wird. Er will mehr und mehr wissen, woher das kommt, was er sich in den Mund steckt.

Unsere Idee: Verbraucher sollten mit der neuen Bio-Fisch-Range die Chance haben, den Ursprung „ihres Fisches“ zurück verfolgen zu können. Jede Packung sollte einen Code bekommen, mit dem der Verbraucher im Internet die Herkunft, den Fang, die Aufzucht und den Transportweg seines Fisches sehen kann.

Und wir gaben der neuen Produkt-Range den Namen followfish.

Claim: Folge dem wahren Geschmack.

Damit wollen wir nicht nur ein neues Produkt, sondern eine Bewegung einleiten.

Schöne Botschaft: Um die Fische in den Meeren zu schützen, muss man den richtigen Fisch genießen.

-Mit dem neuen ProduktKonzept startete das Unternehmen jetzt im Markt. Und kann erste Listungserfolge verzeichnen (Listung heisst, dass große Lebensmittelhandelskonzerne das Produkt in ihre Supermärkte aufnehmen).

Beide Beispiele unterstreichen, dass die Idee der Kampagne eigentlich beim Produkt oder der Verpackung ansetzt.

Nur kleine Veränderungen an diesen Parametern können schon eine große Idee nach sich ziehen. Und der Produktvorteil ensteht von ganz allein.

Tipp 21: Wenn es keinen Produktvorteil (USP) gibt, überlege dir Veränderungen, die einen schaffen können.




Satt neuen Anzeigen lieber neue Etiketten ausgedacht: Molson Beer.

Die Kampagne startete damit nicht in Zeitschriften, sondern in den Bars
und Kneipen. Direkt am Produkt selbst. Mit einer viel höheren Reichweite und Durchschlagskraft.




Statt Packungsdesign lieber gleich ein neuer Produktname und eine neue Produktidee: followfish.

Über einen Tracking Code auf der Packung kann der Konsument im Internet die Aufzucht, den Fang, die Herkunft und den Transportweg seines Fisches in der Packung verfolgen.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ich hab grade einen ellenlangen Kommentar geschrieben (der dann irgendwie verschwunden ist), und den ich jetzt natürlich so nicht mehr zusammen bekomme. Aber ich versuch es mal: ich hab mich heute Nacht durch die ersten 21 Beiträge gelesen und freue mich auf die nächsten 84 und alles was das "Kreativschwein" noch so bloggen wird!

Danke dafür!

Zum Thema: Selten so eine pure und dadurch so plausible Kampagne für ein Lebensmittel gesehen!
Mein Favorit dahingehend seit Monaten: die "Waitrose-Honey Bee" Gläser!
Nicht so viel "Hintergrund" wie bei den TK-Fischen, aber m.M.n. einzigartig in ihrer puren Aussage.

PS: Wo zum Henker kann man die Fische in Hamburg kaufen?

Zschaler hat gesagt…

followfish ist im Norden noch nicht zu haben, aber wir arbeiten dran.
Solltest du mal in Oldenburg sein: famila.

Und in Bayern: Edeka.

Viel Spaß bei den weiteren 84 Beiträgen.