Mittwoch, 24. September 2008

Auch Marketing-Headlines können Gold wert sein.

Die brasilianische Methode (kein Text, nur Bild) hat einen kleinen Bruder.

Das sind Kampagnen, die ebenfalls sehr prominent mit Bildern arbeiten, aber nicht nur ein Logo, sondern sogar eine Headline besitzen.

Ich nenne sie mal die "eurasilianische" Variante (in Anlehnung an meinen gestrigen Beitrag), denn sie kommt sehr häufig in unseren Breiten vor.

Für die Headlines braucht man eigentlich keinen Texter. Es sind meistens Schlüsselsätze, die das Marketing der Agentur mit auf den Weg gegeben hat.

Sätze wie:

Unser Bier ist frischer.

Viel Platz auf wenig Raum. Der neue XY.

Unser Waschmittel wäscht weißer.

Keiner schmeckt leckerer.

Nur einer saugt so stark.


So pur gelesen klingen die Zeilen natürlich wie platte Reklamesprüche.

Aber: Wenn man ihnen einen ungewöhnlichen Kontext verschafft, mit eben jenen schon angesprochenen ungewöhnlichen Bildern, dann erscheint das Gesamtszenario plötzlich nicht mehr peinlich.

Ja, man kann fast sagen, das starke Bild (die Spannung oder der Humor, der in ihm steckt), versöhnen den Betrachter für die platte Botschaft.

Wir haben mit diesem Prinzip gerade eine Kampagne für Mag-Lite entwickelt. Genauer gesagt für die Mini-Taschenlampe Solitaire.

Auch diese Kampagne folgt dem dramaturgischen Prinzip, sich den Geist im Text zu sparen und alle Inspiration ins Bild zu stecken.

Vielleicht sieht man diese Art von Werbung deshalb so häufig, weil es so wenig gute Texter gibt.

Und ganz sicher, weil wir die genervte Informationsgesellschaft sind, die immer mehr Nachrichten und Botschaften ertragen muss – und nicht mehr so viel lesen will.

Da wäre es nur konsequent, wenn die Europäer so werben würden wie die Brasilianer, also ohne Worte.

Aber vermutlich sind die deutschen Marketingspezialisten nicht ganz so cool wie ihre Pendants an der Copacabana (die gehen wohl lieber an den Strand als über Texte nachzusinnen, wer kann es ihnen verdenken).

"Irgendetwas muss man noch zu dem Produkt sagen. Sonst könnte das der Verbraucher mißverstehen!".

Hiesige Kunden erklären den Verbraucher vor der Werbung gerne mal für „dumm“. Heißt im Umkehrschluss, dass die brasilianischen Analphabeten eigentlich mehr verstehen als die deutschen Verbraucher, die lesen können.

Äh, ok, verlassen wir den philosophischen Bereich schnell wieder.

Kehren wir zurück zum Prinzip „Bild/Marketing-Headline“.

Wir wollen diese Woche ja üben und so muss eine Produktzeile für den Skoda Fabia her.

Nehmen wir einfach die Zeile: serienmäßig mit Kurvenlicht.

Denkt man weiter, fällt einem ein, dass man mit dem Kurvenlicht z.B. Gefahren in Kurven früher erkennen kann. Oder weiter/früher in die Kurve hinein sieht.

Bilder dazu könnten sein:

Ein Kanalarbeiter, der aus einem Strassengulli hervorguckt und uns – geblendet durch einen Lichtkegel – verwundert ansieht.

Oder: Das Verkehrsschild "scharfe Kurve", nur ist in der Grafik der schwarzen Kurve ab der Mitte ein Lichtkegel zu sehen – und der Rest der Kurve ist hell.

Oder: Wir sehen in das Gesicht eines Mannes, der mit einem Auge extrem nach rechts außen schielt.

Das nur mal drei Bildideen, die mir jetzt während dem Schreiben auf die Schnelle einfallen. Auch hier gibt es sicher noch viel viel bessere.

Was man sich verkneifen sollte, sind Bildideen von der Qualität wie:

Zwei angestrahlte Brüste (Kurvenlicht, ha ha) oder eine Glühbirne, die ihre Birne über der Fassung nach rechts oder links neigt.

Tipp 18: Wenn das Marketing die Headline bestimmt, such dir eine Bild, das diese Headline noch nie gesehen hat.



Der kleine Bruder der brasilianischen Methode.
Ungewöhnliches Bild und eine Headline, die das Marketing getextet hat:

Solitaire. Die kleinste MagLite der Welt.

Doch zusammen sind sie stark (Bild und Headline meine ich).



6 Kommentare:

Wolfwendy hat gesagt…

hier überläufts einen ja regelrecht. ich brauche sprachliche volltreffer zwar nur für kleine eigenproduktionen, aber hilfreich ist das hier allemal. das einmischen von nüchternen/ ernüchternden beiträgen sind mir gerngesehene grenzen in der sonst so willkürlichen kreativität. wenn mir die zeit weniger im nacken sitzt, werde ich großflächiger stöbern können, aber ich danke jetzt schon mal.

Zschaler hat gesagt…

Es gibt nicht die "kleine" Kreation oder die "große" Kreation, es gibt nur gute oder schlechte. Wenn der Input hier dabei hilft, deine Eigenproduktionen zu verbessern, dann freut mich das.

Wolfwendy hat gesagt…

Hm. Es fällt mir schwer, dagegen zu halten, weil subjektive Einschätzungen des Schaffenden ein stehendes Produkt nicht soweit antasten, als dass ein Konsument weiter gehen könnte, als "gut" oder "schlecht" zu urteilen.
Da mein Ideal allerdings nicht zwangsäufig darin besteht, es einem Betrachter schmackhaft zu machen, leider*, sondern vielmehr einen Dialog mit mir selbst zu führen, rechne ich gern mit investierter Zeit und dem Eindruck von Kurz- oder Langlebigkeit, um eine Wertigkeit festzulegen. Auf einem anderen Weg ist das schwer zu entscheiden, wenn da keine klaren Fragen stehen und man demzufolge keine treffenden Antworten bekommt. Insofern ist "klein" und "groß" vielleicht mein "gut" und "schlecht", wobei schlußendlich ja doch alles ein Schritt nach vorn bedeutet.

*weil ich selbst meine zukunft in diese bahn gelegt habe und trotzdem ständig ungewollt und gefühlt gegen den kommerz arbeite.

Zschaler hat gesagt…

na ja, du musst einfach vorher genau entscheiden, was dein Stück Kommunikation erreichen soll.

Ist die Priorität, dass die Empfänger etwas verstehen?

Willst du sie eher überraschen (und verstehen sollen sie aber auch noch was)?

Oder willst du sie herausfordern (und das verstehen kommt erst, wenn sie sich näher damit beschäftigen)?

Ich persönlich finde Kommunikation, die einfach nur kryptisch ist, um damit "Interesse/Neugier" zu generieren, vergebene Liebesmüh und nicht professionell.

Auftrags-Kommunikation hat immer ein Ziel. Dazu muss man stehen.

Wolfwendy hat gesagt…

Aber eine kryptische Kommunikation mit sich selbst kann die Sache spannender machen. Wenns bei mir zum Einsatz kommt, wie das ganz sicher zu oft der Fall ist, spreche ich aber auch von einer Art Selbstbetrug, der inhaltlich zu begründen ist. Außerdem: eine allgemeine verworrene Gedankenschlinge.
Es ist ja nicht nur unprofessionell, wenn man mit Kryptischem "Interesse/Neugier" erwecken will, sondern auch, wenn man keine andere Möglichkeit findet, seine Gedanken in Worte zu bringen. Dann sollte man sich also entscheiden, entweder einen anderen Weg zu gehen, oder zu behaupten, der Weg sei das Ziel.
Entschuldigung, ich schweife ab und wahrscheinlich war es auch unnötig, das anzusprechen, wenn man hier zwei verschiedene Motive zum Schreiben vorliegen hat; wie du schon sagst "Auftrags-Kommunikation". Ich bin trotzdem noch interessiert - letztendlich bin ich ja selbst mein Auftragsgeber.

Anonym hat gesagt…

i'm gonna make my own journal